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Cinderella im Waschsalon

Brav gekleidete Signorina: Angelina muss im Waschsalon arbeiten.

So zeitgenau hat selten eine Regie die Retroversion einer Oper angelegt, in diesem Fall von Gioachino Rossinis Zweiakter «La Cenerentola». Es ist der 18. April 1956. Fürst Rainier von Monaco heiratet die Hollywood-Schöne Grace Kelly. Eine junge Frau namens Angelina verfolgt das Spektakel auf einem Mini-TV. Auch die Bühne, auf der das vom Belcanto-Meister und seinem Li­brettisten Jacopo Ferretti adaptierte Grimm-Märchen spielt, ist klar gesetzt. Angelina arbeitet im Waschsalon ihres Stiefvaters Don Magnifico. Während Rossinis sprühende Ouvertüre erklingt und seine Crescendo-Walzen an Fahrt gewinnen, nimmt auch das Gewusel im Laden zu. Das hat zur Folge, dass die brav gekleidete Signorina in dreifacher Ausführung auftritt, um den Kundenandrang zu meistern.

Selfies mit der Polaroid

Die böse Stiefmutter fehlt bereits in der Originalvorlage, die 1817 in Rom uraufgeführt wurde. In «La Cenerentola» ist es Angelinas Stiefvater, der sie knechtet und dafür eine seiner Töchter Clorinda und Tisbe mit einem Adligen verheiraten will. Die beiden It-Girls in grüner Robe denken nicht im Traum daran, ihrer Halbschwester zur Hand zu gehen, und schiessen mit ihrer Po­laroid lieber Selfies für die ersehnte Prinzenrolle. Dumm nur, dass der Auserwählte Don Ramiro mit seinem Diener Dandini die Rollen vertauscht hat und sich als Laufbursche getarnt prompt in Angelina verguckt. Der Domestike wechselt seinerseits gleich das Ufer und beginnt eine Liaison mit Ramiros Lehrer Alidoro, der in funkelnder Las-Vegas-Montur die Fäden zieht.

Paraderolle für Govi

Der wunderbare Waschsalon aus der Zeit des Wirtschaftswunders mit seinen modularen Wänden erweist sich als ideales Setting. Dem Regieteam unter Andrea Bernard, Alberto Beltrame und Elena Beccaro gelingt es be­hände, ihre Aschenputtel-Lesart nicht nur im Schleudergang durchzutrommeln, sondern auch mit der nötigen Sorgfalt ­aufzubügeln.

Das «Polvere», zu Deutsch Pulver oder Asche, geht dem Trio während der zweieinhalbstündigen Spielzeit nie aus. Eine clevere Verdoppelung der Titelpartie verweist ins Land der Träume. Die Protagonisten danken es mit bester Spiellaune. ­Bariton Wolfgang Resch gibt den Fake-Herzog mit schiefem Matrosenkäppi in Tony-Curtis-Manier und punktet mit akkurater Phrasierung. Stimmpartner Michele Govi, sonor brummend, ­findet sich mit Don Magnifico in einer Paraderolle und lässt sich selbst in Zwangstravestie nicht von seinen Kuppelplänen ab­bringen. Hier geht ein Kritikpunkt an die Regie, die den Gender- und Gay-Faktor gar plakativ bemüht.

Killerarie ohne Patzer

Gustavo Quaresma ist ein heissblütiger Jungspund, und er erklimmt mit seinem hellen Spinto-Tenor markante Höhen, die meist lupenrein daherkommen. Inès Berlet verliert sich als Mauerblümchen darstellerisch nicht im Overacting und gibt der Titelfigur mit ihrem facetten­reichen Mezzosopran Tiefenschärfe. Die allseits gefürchtete Killerarie am Schluss pariert Berlet formschön und mit glasklaren Koloraturen.

Sopranistin Jeanne Dumat als Clorinda und Mezzosopranistin Juliette De Banes Gardonne geben ein herrlich zickiges Schwesternpaar ab und brillieren ebenso gesanglich. Von Lisandro Abadie, der mit Liberace-Attitüde über die Bühne stolziert, würde man gern mehr hören. Sein bernsteinfarbener Bariton hat Schmelz.

Rossini war ein Meister der Effekte, und Dirigent Franco Trinca kostet mit dem Sinfonie-Orchester Biel Solothurn jede Note genüsslich aus. Trincas Rhythmusgefühl ist ausgeprägt, und seine wogende Dynamik heizt ordentlich ein. Im Schongang findet der Maestro zu zarter Zurückhaltung und lässt die feine Lyrik im Stück erklingen. Der Herrenchor unter der Leitung und Mitwirkung von Valentin Vassilev setzt dem königlichen Vergnügen die perfekte Schaumkrone auf.

«La Cenerentola», Gioachino Rossini, Tobs, bis 30.12. www.tobs.ch