Händels „Alcina“ in Wien :
Auf der Suche nach der verschollenen Leidenschaft

Von Reinhard Kager, Wien
Lesezeit: 4 Min.
Bloß tändelnde Fangspiele, schwereloses Schaukeln und unmotivierte Entkleidungsszenen: „Alcina“ hatte am 15. September in Wien Premiere.
In „Alcina“ verbinden sich nach der Geschichte des italienischen Dichters Ariosto eigentlich Kampfgeschehen und erotischer Zauber. Beim Saisonbeginn in Wien gerät Händels Oper dafür viel zu harmlos.

Es ist schon ein Geniestreich des italienischen Dichters Ludovico Ariosto, inmitten seines blutigen Kreuzritter-Epos „Orlando furioso“ eine erotische Episode auf einer verwunschenen Zauberinsel zu plazieren. Auch wenn sich letztlich Machtgelüste hinter dem bunten Treiben im und um den Palast der Zauberin Alcina verbergen, so nehmen sich die liebestollen Verwirrspiele doch wie Fremdkörper im Kontext der Ritterkämpfe aus. Gerade deshalb dürfte Georg Friedrich Händel nach seinen Ariosto-Opern „Orlando“ und „Ariodante“ auch an diesem Zauberspiel Gefallen gefunden haben. Und so entstand für die Saison 1735 an der Covent Garden Opera in London unter dem Titel „Alcina“ ein drittes Dramma per musica auf den Stoff von Ariosto. Das Libretto, dessen Schöpfer unbekannt blieb, sieht nur wenige Änderungen in der dramaturgischen Abfolge des Originals vor, lediglich die Szenen mit dem Knaben Oberto, der seinen von Alcina in einen Löwen verwandelten Vater sucht, wurden von Händel nachträglich eingefügt.

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