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„Siegfried“, dritter Teil des „Rings der Nibelungen“, in Oldenburg

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Großes Theater in kleinem Bergdorf: Zoltán Nyári als Siegfried in der gleichnamigen Oper von Richard Wagner. - Foto: Stephan Walzl
Großes Theater in kleinem Bergdorf: Zoltán Nyári als Siegfried in der gleichnamigen Oper von Richard Wagner. © Stephan Walzl

Oldenburg - Von Markus Wilks. Der Höhenflug des Oldenburgischen Staatstheaters dauert an, denn „Siegfried“, der dritte Teil von Richard Wagners vier Musikdramen umfassenden „Ring des Nibelungen“, gelingt auf meisterhaftem Niveau. Orchester und Sänger holen am umjubelten Premierenabend (fast) alles aus der Partitur heraus, was möglich ist, und Regisseur Paul Esterhazy macht aus der netto vier Stunden dauernden Oper quasi ein kurzweiliges Theaterfest.

Wer hätte zu Beginn des Oldenburger „Rings“ gedacht, dass es möglich ist, Richard Wagners Weltendrama um Götter, Gold und Liebe so überzeugend in die Abgeschiedenheit eines Bergdorfes zu transferieren? Doch die Verkleinerung der Story in ein Alltagsdrama funktioniert tadellos, denn Wagners große Themen können uns auch dank der plastischen Charaktere unmittelbar bewegen.

Wotan ist im „Siegfried“ nicht mehr der vermeintlich große Gott, der den Lebensweg seines Enkels Siegfried zu seinem Gunsten zu steuern versucht, sondern eine Art Bürgermeister, der als „Undercover-Boss“ das niedere Volk besucht, um Menschen zu manipulieren und seine Macht zu sichern. Er trifft auf den versoffenen Alberich, der jedoch über eine gefährliche Intelligenz verfügt, und auch auf Siegfried, der ihm mit zu wenig Respekt entgegentritt.

Aus den Alltagsdialogen macht Regisseur Paul Esterhazy großes Theater, bei dem sich der Kenner des Werks regelmäßig über eine intelligente Umsetzung des Librettos freuen kann, zumal der Regisseur auch vermeintliche Kleinigkeiten auf die Bühne bringt, die meistens ignoriert werden: So schleppt Siegfried, nachdem er Mime und Fafner ermordet hat, beide in Einklang mit der Musik in die Höhle und erquickt sich – botanisch korrekt – unter Lindenblättern.

Vor allem aber erzählen Esterhazy und das vorzüglich einstudierte Solisten-Ensemble die Handlung widerspruchsfrei und kurzweilig. Kongenialer „Partner“ ist dabei wiederum die von Ausstatter Mathis Neidhardt entworfene Drehbühne, die sich fast dauernd in Fahrt befindet und unzählige filmische Überblendungen zwischen den einzelnen Zimmern des großen hölzernen Baus ermöglicht. Hier finden große Dramen wie Siegfrieds Auseinandersetzung mit dem zum Drachen mutierten Fafner und Brünnhildes Erweckung, aber auch liebevoll durchchoreografierte Vorgänge wie das Schmieden des Schwertes authentische Spielorte. Paul Esterhazys Konzept geht auch deshalb so gut auf, weil ihm mit Zoltán Nyári ein Siegfried zur Verfügung steht, der die starken und schwachen Seiten dieses angeblichen Helden gekonnt darstellt.

Und er verfügt über einen kraftvollen Tenor, der in der Premiere keinerlei Ermüdungserscheinungen kennt. Zwar gelingt ihm nicht jede Phrase in Vollendung, doch wie er zwischen zarter Lyrik und (in den Schmiedeliedern) stimmlichem Maximaleinsatz variiert, ist absolut hörenswert. Sogar gegen die „frische“ Brünnhilde, die erst 45 Minuten vor Ende der Oper zu singen beginnt, kann dieser Siegfried locker bestehen. Nancy Weißbach hat ebenso die nötige Power wie Zärtlichkeit in der Stimme, um das zwischen ekstatischem Liebesglück, Zukunftsängsten und Entdecken der eigenen Gefühle konstruierte Finale zu meistern. Als Wanderer (Wotan) gastiert mit Thomas Hall ein erfahrener, exzellenter Künstler, der seinen Heldenbariton kraftvoll und sonor einsetzt, sodass die Auseinandersetzungen mit dem „Wutbürger“ Alberich (Kihun Yoon mit vokalem Totaleinsatz und ebenfalls einer „Wotan-Stimme“ gesegnet) und Mime (Timothy Oliver mit starker Präsenz und textdeutlichem Charaktertenor) durchwegs spannungsvoll geraten.

Marta Swiderska (Erda mit klangvollem Alt), Sooyeon Lee (ein Waldvogel mit sicheren Koloraturen und guter Diktion) und – mit kleineren Abstrichen – Ill-Hoon Choung (Fafner) überzeugen ebenso. Das raumbedingt eher klein besetzte Oldenburgische Staatsorchester verblüfft durch das überwiegend souveräne Spiel und die zumeist hervorragende Aussteuerung der Instrumente.

Generalmusikdirektor Hendrik Vestmann arbeitet die Details ebenso klangvoll wie markant heraus, so wie er die Musik stetig im Fluss hält. Dank der sängerfreundlichen Akustik des Bühnenbildes kann Vestmann sein Ensemble oft frei aufspielen lassen und tief in Wagners Klangkosmos einsteigen – das macht Eindruck. Fortsetzung folgt in einem Jahr mit der „Götterdämmerung“.

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